« Die Kunst zu verlieren » von Alice Zeniter

by | Nov 1, 2018

1962: Ende des Algerienkriegs (bis 1990 „Die Ereignisse in Algerien“ genannt). Und man spricht immer weiter darüber….. Der aktuelle Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, geht 2018 zu 2 dunklen Kapiteln dieser mit der französischen Kolonisierung von Algerien verbundenen Geschichte zurück: am 15. September 2018 hat er „die Verantwortung des französischen Staats“ bei dem Verschwinden von Maurice Audin – einem jungen kommunistischen Mathematiker, der, in Alger, im Juni 1957 von französischen Fallschirmjägern entführt, gefoltert und umgebracht worden war – erkannt und kurz danach hat er  die Harkis – Hifssoldaten, die im Unabhängigkeitskrieg als Algerier auf französischer Seite kämpften – geehrt und den Wunsch geäußert „das Gedenken an die Harkis in die nationale Geschichte zu verankern“. Nach dem Ende des Kriegs wurden 90 000  Personen, Harkis mit Familien, in Frankreich unter sehr prekären Bedingungen empfangen während beinahe anderen 95 000 Harkis, in Algerien einer blutigen Repression überlassen wurden, sie galten nämlich dem dortigen neuen Regime als Verräter-

1977: die Schriftstellerin Alice Zeniter, selber Enkelin von Harkis, unternimmt die Geschichte einer Harkifamilie aus Kabylie, vom Großvater Ali bis zur Enkelin Naïma, zu schreiben. Auf 500 Seiten entfaltet sie, vor ihren Lesern, die Geschichte des französischen Algeriens von 1830 bis 1962 und läßt ihnen das traurige Schicksal der Harkisfamilien in Frankreich entdecken. „Hier redet man nicht von Menschen, die eine Wahl aus Liebe zu Frankreich getroffen haben, sondern von Menschen, die sich schließlich, fast unbewußt, für eine Seite entschieden haben“ unterstreicht A. Zeniter. Vom Camp in Rivesaltes bis zu den Hochhäusern von Flers, auf der Durchfahrt durch das Lager von Jouques, versuchen Ali und seine Familie ihr Leben neu aufzubauen, dies in einem Frankreich, die die vergangenen Kriege (2. Weltkrieg, Indochina und Algerien) vergessen will (1). Nach und nach verfolgen 3 Generationen ihre Wege, in einer von Schweigen, Vergessenheit und Verlust beherrschten Welt. Erst Naïma, die Enkelin, wird sich trauen, in das Land ihrer Ahnen zurückzukehren, eine Entdeckungsreise. Der Titel des Buchs kommt aus einem Gedicht der amerikanischen Schriftstellerin Elisabeth Bishop (1911-1979): „In der Kunst des Verlierens ist es nicht schwer Meister zu werden/soviele Sachen scheinen dazu Lust zu haben, verloren zu werden/dass ihr Verlust kein Desater ist“.

Dieser Roman ist hinreißend, er ist hart aber nicht ohne Humor und Zärtlichkeit, er ist schön geschrieben und sehr aktuell bei dieser Such der Übermittlung und der Identität. „eine schöne Art auch mit Feinheit, die Problemen der Identität der Migrantenkinder in der zeitgenössischen Gesellschaft zu analysieren“ (2).

Die Art des Verlierens, prix Goncourt des lycéens 2017

(1) Zum lesen : « Die französische Kunst des Krieges“ von Alexis Jenni (btb Verlag), prix Goncourt 2011.

(2) Jérôme Dupuis, L’Express 16/08/2017

Share This